Mir fällt es immer wieder auf, dass auf Content-Portalen oder eCommerce Seiten die interne Suche außerhalb des Fokus bei den Webseitenbetreibern liegt. Ich würde fast sagen, dass sie stiefmütterlich behandelt und nicht richtig wahrgenommen wird. Dies jedoch ist schade, denn oft verbirgt sich hier ein großes Potential, was sowohl die Zufriedenheit der Besucher als auch die Conversion Rate angeht. Deshalb habe ich es mir heute zur Aufgabe gemacht, die gängigsten Fehler und Probleme der internen Suche aufzulisten.
Es empfiehlt sich sehr, dass man sich als SEO nicht nur um die Google Rankings kümmert, Backlinks, sowie WDF*IDF Kurven hinterher jagt, sondern sich auch mit Themen wie Suchalgorithmen, Klassifizierungsverfahren und Datenerfassung beschäftigt. Wer sich unter anderem auch der Letzt genannten Aufgaben widmet, bekommt schnell ein Auge für Fehler und Probleme, die immer wieder dabei auftauchen. Für diesen Blogpost habe ich mich auch extra noch einmal mit Peter Rieger zusammengesetzt. Er ist Geschäftsführer der ESEMOS GmbH und einer der Experten auf dem Gebiet von Suchtechnologien und Enterprise Search. Im Gespräch bestätigte mir Peter viele Probleme und Fehler, die mir in den letzten Jahren immer und immer wieder aufgefallen sind. Aber fangen wir ganz vorne an.
Worin liegen die Probleme bei der internen Suche!?
1. Firmenpolitisches Versagen verhindert die perfekte (interne) Suche!
Oft hat das Versagen organisatorische und/oder strategische Gründe, denn in Unternehmen wird die Bedeutung der internen Suche einer Webseite nicht erkannt oder schlichtweg unterschätzt! Dabei kann sie einen großen Teil zum Erfolg beitragen. Einer der Ursachen hierfür ist, dass es in den meisten Unternehmen keine Abteilung im Marketing oder zumindest eine Person gibt, die sich explizit für die Qualität der Suche verantwortlich fühlt oder dies zu mindestens im Auge hat und aktiv versucht, diese zu verbessern!
Fakt ist: die interne Suche bringt zwar keinen eigenen Traffic auf die Seite. Somit wird ihr auch keinen direkten „Wert“ im Bereich der performance-orientierten Marketingkanäle zugeordnet. Das sie aber zur Verbesserung der Conversion Rate und somit direkt zur Steigerung des Umsatzes beitragen kann, wird schlichtweg ignoriert oder einfach nicht zur Kenntnis genommen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es in der Regel auch kein eigenes Budget für die Umsetzung und Optimierung der Suchfunktion gibt. Weiterhin fehlt oft ein fester und kontinuierlicher Prozess im Tagesgeschäft, welcher sich der Qualität der Suchergebnisse widmet!
Aufgrund der fehlenden Auseinandersetzung mit dem Thema der internen Suche, gibt es nur sehr wenige Webseitenbetreiber, egal ob Content-Portal oder Online-Shop, die neben der technischen Umsetzung auch bereit sind, Geld für die Verbesserung der internen Suche in Form von Beratung/Consulting auszugeben.
2. Synonyme werden nicht beachtet!
In Online-Shops werden meist für die Artikel die Produktbezeichnungen der Hersteller verwendet. Dies bedeutet, dass der Index der internen Suche 1:1 auf die Anbietersprache beruht. So sucht das Gros der Leute beispielsweise in Hessen nach einer „Mehrfachsteckdose“ als nach einer „Steckdosenleiste“, während in Bayern dieses Verhältnis umgekehrt ist. Ein Online-Shop, der seine Produkte nun nur mit der „zufälligen“ Lieferantennomenklatur indexiert, hat einen großen Teil der Kundschaft verloren. „Es tut uns leid. Ihre Suche lieferte keine Ergebnisse.“ wird anstelle der eigentlich doch passenden und somit verfügbaren Produkte im Shop angezeigt. Ein Missverständnis, welches schnell und problemlos aus der Welt geschaffen werden kann – kostengünstig. Besonders ärgerlich ist dies natürlich, wenn die SEO- oder SEA-Abteilung diese alternativen Begrifflichkeiten und deren verbundenen Suchvolumina kennt, dieses Wissen aber nicht in die Umsetzung der eigenen Suche mit einfließen lässt!
3. Die falsche Einstufung der Relevanz des Suchterms!
Auch wenn eine „richtige“ Suchtechnologie eingesetzt wird, also nicht nur eine Datenbanksuche, werden sehr häufig in der Steuerung der Relevanzen des Suchterms nur linguistische Aspekte berücksichtigt. Das können beispielsweise die Treffer bestimmter Indexfelder wie Titel, Marke, Kategorie, Attribute, Beschreibung betreffen. Diese Fehlinterpretation der Relevanz von Suchtermen führt häufig dazu, dass bei Suchen nach bestimmten Produkten das (zumeist günstigere) Zubehör weit vorne angezeigt wird, da die Beschreibungen des Zubehörs häufig relevante Suchbegriffe mehrfach enthalten. Das eigentliche Produkt wird somit weiter hinten gelistet und nur mit Mühe aufgefunden.
Gelegentlich werden Dinge dann auch unabsichtlich verschlimmbessert. Hierzu ein kleines Praxis-Beispiel: die Suche nach einer „roten Seidenbluse“ auf bonprix.de liefert die interne Suche zuerst Blusen aus 100% Polyester, aber keine Seidenblusen. Nun wird das Ganze noch schlimmer, wenn man den Suchbegriff noch etwas verallgemeinert. Die Suche nach „Seidenbluse“ liefert nun bei bonprix.de sogar keinen Treffer mehr aus! Muss ich das verstehen?!
4. Die Umsetzung der Suche!
Oft wird die Umsetzung oder Verbesserung der Suche nur nach wirklich eklatanten Fehleinstellungen oder nach sehr lauter Kritik (häufig geäußert durch die Frau des Chefs, keine Witz!) in Angriff genommen. Hier ist dann aber leider oft nur der Einzelfall Maßstab für die geplante Maßnahme, Zeit in die Suche zu investieren. Es geht dann tatsächlich nur darum, die Suche speziell für ein oder zwei Suchbegriffe so zu „verbiegen“, dass die ersten fünf bis zehn Treffern einer lediglich individuellen Erwartungshaltung entsprechen. Wurde das Ziel erreicht, gilt die Suche als „optimiert“ und das Projekt somit als beendet.
Oft kommt es ebenfalls vor, dass bei der Umsetzung der Suche keine relevanten Daten bereitgestellt werden, die es ermöglichen, die bei der betriebswirtschaftlichen Bestimmung der Suchtreffer einfließen können. Damit sind jetzt nicht nur Dinge wie die Click Through Rate (CTR) oder Conversion Rate gemeint, sondern auch Einkaufspreise, Margen und Kaufabsichten bei der Verwendung bestimmter Terminologien!
Ein weiteres Hindernis bei der Verbesserung der internen Suche ist häufig auch der technische Verantwortliche der Plattform (CTO), der keinerlei Grundwissen in diesem Bereich aufweist und erfahrenes Know-How einfach ignoriert oder fehlinterpretiert. Meisten sind diese Leute dann auch noch beratungsresistent. Die Folge ist dann oft, dass Test-Cases überlegt werden, die er in der Suche abgebildet sehen möchte. Dieser Zwang zu einem unbedingt eintreffendem Ergebnis, ohne Berücksichtigung von Daten wie z.B. eigene Such-Logs, Google Trends, Google Correlate und Co., verschlechtert die Qualität der Suchtreffer.
Wieder ein kleines Beispiel: bei einer Suche, für die bekannt ist, dass Kunden zu 98% nach Produkttypen oder Marken suchen, soll durch Integration aller möglichen Attributwerte und Wortkombinationen aus den Produkttiteln eine eigentlich gute Autovervollständigungen-Funktion total verwässert werden. Es werden explizite Vorgaben für „Sollvorschläge“ erarbeitet, nach denen nie ein Mensch gesucht hat, weder intern noch durch Hinweise in den typischen Keywordtools.
5. Immer wieder schön, die Usability!
Was nutzt eine interne Suche, wenn diese für den User nur schlecht oder nicht bedienbar ist? In der Regel wird relativ wenig Wert auf eine dem Portal angepasste Usability-Optimierung der Suche gelegt, da Verantwortliche meist bei der Suche nur den einfachen Suchschlitz im Kopf haben. Dabei gibt es viel Faktoren, die es zu optimieren gilt.
Es fängt schon mit grundlegenden Frage an:
- Wie werden die Suchergebnisse angezeigt?
- Wann werden welche Facetten für die Einschränkung des Suchergebnisses angezeigt?
- Kann in der Suche gefiltert werden?
- Wie kann ich Filter wieder zurücksetzen?
- Wie kann ich mit Autovervollständigen den Besucher unterstützen?
- Wie können die gefundenen Treffer sortiert werden?
- Wie können Fehlschreibungen und Tippfehler abgefangen werden?
- Wie kann ich den Nutzer effizient Hilfestellungen anbieten?
- Wie halte ich den Besucher auf der Seiten, wenn eine Suche keinen Treffer liefert?
Hier wird außer dem Blättern in der Suche oft gar kein weiteres Element zur Benutzerfreundlichkeit der Suche angeboten. Wenn, dann wird der Nutzer in den häufigsten Fällen mit einer überwältigenden Flut an Navigationselementen zum Filtern wahrlich überfordert, im schlimmsten Fall noch mit unterschiedlichen Auswahlelementen für unterschiedliche Attribute/Merkmale von Produkten.
Ha! Wieder ein schönes Beispiel für genau diesen Fall: sucht man auf conrad.de nach „iPhone“, darf man sich über viele tolle Filtermöglichkeiten wie zum Beispiel den Filter „Hauptrotordurchmesser“ freuen! Macht das Sinn?
6. Die fehlende wirtschaftliche Betrachtung der internen Suche!
Während fast alle Portalbetreiber verstanden haben, dass Traffic, guter Content und die Anpassung des Designs und der Usability (CRO) Geld kosten, wird bei vielen Online-Shops immer noch ignoriert, dass auch die kontinuierliche Optimierung der Suchfunktion nicht umsonst zu haben ist. Dabei zeigen unabhängige Untersuchungen immer wieder, wie hoch der Einfluss der Suche für den Erfolg eines Online-Auftritts sein kann und das sich die Kosten einer Optimierung der internen Suche sich schnell wieder amortisieren.
Mein Fazit zum Thema interne Suchen!
Im Austausch mit Peter Rieger kristallisierte sich sehr schnell aus seinen Erfahrungen heraus, dass der Betrieb einer guten Suchfunktion ca. 1 Promille des Umsatzes kostet. Im Gegensatz zur CRO kann man bei der Optimierung der internen Suchfunktion zweistellige Uplifts ohne großen monetären Aufwand im Gewinn erreichen. Meist liegen alle dafür benötigten Daten dafür im Unternehmen schon vor, werden aber oft nicht bereitgestellt oder falsch eingesetzt.
Das für mich persönlich erstaunliche ist, dass man beim Testen vieler Shops auf harte Fehler in der Suche stößt und ich mich immer wieder Frage, warum dies so ist! Hier wird in den meisten Fällen viel Potential und somit auch Umsatz verschenkt. Ich habe jetzt auch bei eigenen Projekten diverse Suchen getestet und bin überrascht, wie viel man durch den Einsatz von bekannten Suchsystemen verbessern kann und das auch ohne viel Aufwand zu investieren. Natürlich hat mir bei einigen Projekten Peter und sein ganzes Team von ESEMOS geholfen und ich muss wirklich sagen, dass sie es immer wieder geschafft haben überraschend viel aus den suchen raus zu holen, dies zeigt mir wie wichtig das Thema ist und wie viel da immer wieder verschenkt wird. Durch diese Erfahrungen wird mir immer wieder sehr bewusst, wie viel Leistungsfähigkeit und Potential sich noch in dem Thema internen Suche steckt. Durch die Einbeziehung von wirtschaftlichen Kenngrößen und Nutzerpräferenzen kann fast jede Suche zum geliebten Goldesel des Online-Shops werden.
Sehr guter Beitrag, dem ich voll und ganz zustimmen kann. Es lässt einem manchmal wirklich die Haare zu Berge stehen, wie stiefmütterlich die interne Suche auf vielen Webseiten behandelt wird. Hier verschenken die Unternehmen wertvolles Potential.
Dabei ist eine vernünftige Site Search mit einigen vorangehenden Grundüberlegungen gut zu realisieren und hilft dabei, Kunden zum Kauf und zur Wiederkehr zu bewegen.
In der Tat ein wichtiges Thema. Sie haben vollkommen recht. Um es wirklich gut zu machen, braucht es einen hohen (Programmier-)Aufwand, wie die Entwickler bei uns versichern. Sie haben es aber bereits auf dem Zettel und wir wollen das auch auf jeden Fall implementieren. Einen Zeitpunkt können wir aus Sicht von VersaCommerce aber leider noch nicht nennen.
Die Suchefunktion ist grundsätzlich von Vorteil. Bei Blogs ist sie wohl relativ leicht zu verwirklichen. Allerdings weiß ich nicht inwieweit ein Einfluss besteht auf die Artikel die dann zum Begriff gefunden werden.
Ich habe das hier gleich mal ausprobiert und den Begriff „Cloud-Computing“ eingegeben. Dort habe ich das krasse Gegenteil nämlich „Coworking-Space“ gefunden. Im Text kam einmal Cloud vor.
Ob man hier als Administrator Einfluss drauf hat, weiß ich nicht. Und wenn, wäre das doch vielleicht eine Idee für ein neues Thema ;)
Hehe, da ich bislang noch nicht so viel hier geschrieben habe und Cloud-Computing bislang kein Thema war, wirft die suche hier das nächst ähnliche aus, in diesem fall wie Du schon richtig erkannt hast, durch das Wort „Cloud“ den Beitrag zum Coworking Space.
Also alles richtig so, da greift halt die Fuzzy-Search wie sie soll ;-)
Vielen Dank für den Beitrag und die Denkanstöße.
Danke für diesen Beitrag, da werden einem erst einmal die vielen Faktoren einer ordentlichen Suche bewusst. Dabei kam mir direkt eine Frage auf: Gibt es kostenfreie Lösungen, die man in ein selbstentwickeltes CMS implementieren kann? Vielleicht hättest du ja spontan einen Namen parat. :)
Hey Danke,
klar, als kostenfreie Lösung ist an erster stelle Apache Solr zu nennen… (http://lucene.apache.org/solr/)
damit lassen sich schon ein mal ein Großteil aller Normalfälle abwickeln ;-)